Wenn Wissenschaft Lachen und Denken triggert

Es schwebt ein Frosch gar schwerelos…
Schwerelos!  Nicht in einer Raumkapsel, sondern hier auf der Erde.

Es gibt Orte auf der Welt, wo besonders viele seeehr alte Menschen leben.
Ihr Alter verdanken viele der Schluderei auf dem Amt.

Eine Katze sitzt auf dem Rücken einer Kuh und die Kuh verspritzt Milch.
Weil neben der Katze eine Papiertüte mit Knall zum Zerplatzen gebracht wurde.

Der Frosch war vorher in die Bohrung eines sehr sehr starken Elektromagneten gesetzt worden.
„Durch das starke Magnetfeld wurde der Frosch, der hauptsächlich aus Wasser besteht, diamagnetisch. Das bedeutet, er erzeugte ein schwaches entgegengesetztes Magnetfeld.
Die abstossende Kraft dieses induzierten Magnetfeldes war stark genug, um die Schwerkraft auszugleichen und den Frosch schweben zu lassen.“
(Der Frosch überstand das Experiment unbeschadet und der Forscher wurde preisgekrönt.)

Auch die Sache mit den seeehr alten Menschen und die milchverspritzende Kuh waren Gegenstände der Forschung. Ausführliche wissenschaftliche Studien geben darüber Auskunft und die Arbeiten fanden grosse Beachtung.

Der ig-Nobelpreis

ist die wohl bemerkenswerteste Auszeichnung in der Welt der Wissenschaft.

Der Wettbewerb war vom 1991 vom Wissenschaftsjournalisten Marc Abrahams initiiert worden, Gründer der Zeitschrift “Annals of Improbable Research”.

Das Magazin verleiht seither jährlich die ig-Nobelpreise, traditionell im Herbst – kurz vor der Bekanntgabe der eigentlichen Nobelpreise.

„Ig-Nobelpreis“ ist ein Wortspiel mit dem englischen Begriff „ignoble“ (unwürdig).

Unwürdig?

Die Forschungsarbeiten „sollen erst zum Lachen und dann zum Nachdenken anregen„.

Der Ig-Nobelpreis stellt nicht die Qualität der Forschung in Frage. Viele der ausgezeichneten Arbeiten sind seriöse, von Fachleuten begutachtete wissenschaftliche Studien, die sich durch ihre Originalität und ihren unkonventionellen Ansatz auszeichnen.

Der Anspruch:

  • Das Ungewöhnliche und Fantasievolle in der Forschung will gefeiert werden
  • Das öffentliche Interesse an Wissenschaft, Medizin und Technologie ist zu wecken
  • Beweisen: Scheinbar absurde Forschungsfragen können zu wichtigen Erkenntnissen führen.

 Viele Ig-Nobelpreisträger betonen, dass der Preis ihrer Karriere geholfen und ihnen ermöglicht hat, ihre Forschung einem breiteren Publikum zu präsentieren. Der Preis habe zu mehr Aufmerksamkeit in der wissenschaftlichen Gemeinschaft geführt.

Einige ig-Gewinner*innen krallten sich später den echten Nobelpreis oder wurden zumindest in der wissenschaftlichen Gemeinschaft „für voll genommen“. So etwa:

Andre Geim
Er erhielt im Jahr 2000 den Ig-Nobelpreis für Physik für seine Experimente zum magnetischen Schweben eines Frosches. Zehn Jahre später wurde ihm der echte Nobelpreis für Physik für seine bahnbrechende Forschung zum zweidimensionalen Material Graphen verliehen.

Eleanor Maguire
Die Neurowissenschaftlerin Eleanor Maguire vom University College London zögerte zunächst, den Ig-Nobelpreis anzunehmen. Ihre Forschung über den vergrößerten Hippocampus bei Londoner Taxifahrern wurde jedoch später als wichtiger Beitrag zum Verständnis der Neuroplastizität anerkannt.

B.F. Skinner
Obwohl B.F. Skinner den Ig-Nobelpreis posthum für seine kuriose Idee erhielt, Tauben zur Steuerung von Raketen einzusetzen, gilt er als einer der einflussreichsten Psychologen des 20. Jahrhunderts. Seine Arbeit zur operanten Konditionierung ist grundlegend für die moderne Verhaltensforschung.

Originelle Forschung in allen Wissenschaftszweigen

Bei der 34. Durchführung (2024 am MIT in Cambridge) wurden zu Beispiel folgende Arbeiten mit dem Preis ausgezeichnet:

Biologie
Fordyce Ely und William E. Petersen wurden posthum für ein Experiment aus den 1940er Jahren geehrt, bei dem sie eine Papiertüte neben einer Katze explodieren ließen, die auf dem Rücken einer Kuh stand, um zu erforschen, wie und wann Kühe ihre Milch verspritzen.

Physiologie
in Team japanischer und amerikanischer Wissenschaftler unter der Leitung von Takanori Takebe heimste den Preis ein für ihre Entdeckung, dass Mäuse, Ratten und Schweine durch den Anus atmen können.

 Chemie
Tess Heeremans, Antoine Deblais, Daniel Bonn und Sander Woutersen gewannen den Preis „für die Verwendung von Chromatographie zur Trennung von betrunkenen und nüchternen Würmern“.

Physik
Dr. James Liao von der University of Florida wurde für seine Untersuchung der Schwimmfähigkeiten toter Forellen ausgezeichnet. In seiner Studie zeigte er, dass “die natürliche Flexibilität eines Forellenkadavers dazu führt, dass er häufig stromaufwärts stößt”

Medizin
Teams aus der Schweiz, Belgien und Deutschland demonstrierten, dass Placebos mit unangenehmen oder gar schmerzhaften Nebenwirkungen bei Patienten wirksamer sein können als solche ohne Nebenwirkungen.

„Frieden“
B.F. Skinner wurde posthum für „Experimente zur Untersuchung der Machbarkeit, lebende Tauben in Raketen unterzubringen, um deren Flugbahnen zu steuern“ ausgezeichnet.

Demografie
Saul Justin Newman von der Universität Oxford erhielt den Preis „für Detektivarbeit zur Entdeckung, dass viele der für ihr langes Leben berühmten Menschen an Orten lebten, die eine mangelhafte Geburts- und Sterberegistrierung hatten“.

Wahrscheinlichkeitsrechnung
František Bartoš, Eric-Jan Wagenmakers, Alexandra Sarafoglou, Henrik Godmann und ihre Teams wurden „für den Nachweis, sowohl in der Theorie als auch durch 350.757 Experimente, dass eine Münze beim Werfen dazu neigt, auf derselben Seite zu landen, auf der sie begonnen hat“ geehrt.

Beispiele für frühere Arbeiten:

Literatur
Eric Martínez, Francis Mollica und Edward Gibson standen 2022 auf dem Podest weil sie analysiert hatten, warum juristische Dokumente unnötig schwer zu verstehen sind.

Psychologie
Chris Moulin untersuchte die Empfindungen von Menschen haben, wenn sie ein einzelnes Wort viele, viele Male wiederholen. – Gewinner 2023 in dieser Kategorie!

Angewandte Kardiologie
Eliska Prochazkova und ihr Team wurden 2022 dafür ausgezeichnet, dass sie Beweise dafür fanden, dass sich die Herzfrequenzen zweier Menschen synchronisieren wenn sie sich zum ersten Mal begegnen und sich zueinander hingezogen fühlen.

Die Zeremonie …

 … ist angemessen schräg angelegt. Wieder am Beispiel der 34. Verleihung:

Ablauf

Akkordeonisten geleiteten die Gäste zu ihren Plätzen. (Viele Gäste waren verkleidet, die Preisanwärter*innen mit Bezug zu ihrem Wissenschaftsgebiet / zu ihrer Arbeit.)

In der kurzen Eröffnungsrede  wurde mit Nachdruck auf das diesjährige Motto „Respektiere das Gesetz Murphys!“ hingewiesen.

Dann wies eine Sicherheitsansage die Anwesenden u.a. darauf hin, • sich nicht anderen Gästen auf den Schoss zu setzen (es sei denn, man sei ein Kind), • keine Enten zu füttern, zu jagen oder zu essen, • Papierflieger umsichtig in den Raum zu werfen und • nie länger als 5 Minuten unter dem Tisch zu verschwinden.
(Die Ansage wurde von Kees Moeliker gemacht; er hatte 2003 den Biologie-ig-Nobelpreis gewonnen. Seine Forschungsarbeit: „In welcher Verbindung stehen bei Wildenten homosexuelles und nekrophiles Verhalten?“)

Die Willkomen-zu-der-Willkommensrede leitete dann die Willkommensrede ein, bevor man ein erstes Mal zu den Papierfliegern griff.

Traditionell wird viel mit Papierfliegern hantiert, so auch 2024. (Wie es zu diesem Brauch kam, habe ich nicht herausgefunden. „Ideen zum Fliegen bringen“?)
Im Verlauf der Zeremonie wird zwei Mal dazu aufgerufen, die Bühne mit Papierfliegern zu bewerfen. Der „Hüter des Besens“ macht dann jeweils wieder sauber… (Dieses „Amt der Ehre“ wird über viele Jahre von ein- und derselben Person innegehalten.)
Videoeinspielungen zeigen währenddessen Forschungsteams auf der ganzen Welt, wie sie Papierflieger Richtung Kamera werfen. 

Wieder sehr sehr kurze Reden und es wurden die Leute vorgestellt, die die Preise zu übergeben hatten. Allesamt waren sie echte Nobelpreisträger.

Die Preisübergaben wurden immer wieder von kurzen, merkwürdigen, mehr oder weniger lustigen Einlagen unterbrochen. Bei der Überreichung der Trophäe wurde dem Gewinner / der Gewinnerin stets die Hand absurd lange geschüttelt. Dauerte die Dankesrede länger als eine Minute, betrat ein kleines Mädchen die Bühne, das „mir ist langweilig!“ schrie.

Zur Halbzeit der Zeremonie wurde eine, eigens für die 34. Durchführung kreiierte, Kurz-Oper mit dem Titel „The International Murphy’s Law Song Competition Contest Opera“ uraufgeführt.

Auch ein Block mit recht besonderen Reden machte gute Stimmung: Einige Berühmtheiten aus Kunst und Wissenschaft mussten zuerst innert 24 Sekunden, dann in 7 Worten das Wesentliche über ihr Fachgebiet vortragen.

Der Akt der Übergabe

Die zehn ig-Nobel-Gewinner wurden während ihres Auftritts von einer Künstlerin (auf einer Schiefertafel, mit Kreide) karikiert und erhielten von den echten Nobelpreisträgern:

  • Einen nicht mehr gültigen 10-Trillion-Dollar-Schein aus Simbabwe und
  • eine transparente Box mit Gegenständen, die sich auf das diesjährige Thema „Murphy’s Law“ bezogen.

Passend zum Thema „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“ waren die Boxen unterschiedlich mangelhaft oder falsch bestückt, zudem waren sie „fast unmöglich zu öffnen“.

Die Veranstaltung dauerte – mit allem Drumundran – rund zwei Stunden.

Um die Sache abzu runden: In einem amerikanischen Podcast ein Interview mit dem Initianten des ig-Nobelpreises, dem Wissenschaftsjournalisten Marc Abrahams.

Kamala Harris und die Angst vor dem Lachen einer Frau

Kamala Harris und die Angst vor dem Lachen einer Frau

„Frauen, die in der Öffentlichkeit lachen, wurde immer schon ein Mangel an sozialer Zurück­haltung unterstellt oder gar Hysterie oder Wahnsinn. Rechts­konservative betonen, das Lachen von Harris habe mit ihrer psychologischen Verkommenheit zu tun oder mit einer Enthemmung, die mit Drogen­konsum zusammenhänge. Damit wollen sie im Unter­bewusstsein der Menschen eine ganz bestimmte Reaktion auslösen: Ekel.“

mehr lesen
Humor.   😐

Humor. 😐

Mitten in im komplexen, herausfordernden, tragischen Matsch dieser Welt glänzt der Humor. Er pulverisiert Grenzen, verbindet Menschen und stiftet gesunde, wohltuende Verwirrung. Er heilt, verletzt, hinterfragt, lässt Königen die Hose runter und rettet durch schwierige Zeiten.
Ein entspannter Kurztrip zu den Anfängen der Menschheit, zu den Göttern und Denkern der Antike, ins finstere Mittelalter und in die Studierstuben der Philosophen der Moderne.
Und die Antwort auf die Frage, warum der Humor Humor heisst.

mehr lesen
Konflikte im Team? – Auf zur Schatzsuche!

Konflikte im Team? – Auf zur Schatzsuche!

Unterschiedliche Meinungen, Interessen und Bedürfnisse führen zu Spannungen, Streit und Unzufriedenheit. Wie damit umgehen? Was, wenn die Teammitglieder sich nicht verstehen oder gar bekämpfen?

Hier geht’s um die Hintergründe und Dynamiken von Konflikten, – und um Lösungsansätze.
Der Artikel bietet eine Anleitung um „die Sache“ selbst zur Hand zu nehmen und behandelt Ihre Rolle als Vermittler oder Vermittlerin.

Zudem schraubt er vielleicht an Ihrer Einstellung zu Konflikten, indem er erklärt, warum Knatsch nicht nur doof ist, sondern den Aufbruch zur Schatzsuche markieren kann.

mehr lesen
Von Hunden, Schweinen und Schweinehunden

Von Hunden, Schweinen und Schweinehunden

„Wir kreieren erst unsere Gewohnheiten und dann kreieren unsere Gewohnheiten uns.“
Das sagte vor ungefähr 350 Jahren John Dryden, ein englischer Dramatiker.

In diesem Artikel geht es um gute und schlechte Gewohnheiten – und um die Schwierigkeit, sie in die eine oder andere Richtung zu ändern.

Wenn Änderungsversuche scheitern, wird gerne der innere Schweinehund dafür verantwortlich gemacht.

Er bekommt darum hier die Aufmerksamkeit, die er verdient. Und ich verrate Dir, wie Du mit umgehen kannst.

mehr lesen
Führungsqualität so so la la

Führungsqualität so so la la

In der Schweiz möchte in absehbarer Zeit ein Viertel aller Angestellten die Stelle wechseln!
Die Arbeit gefällt zwar – aber dem Chef, der Chefin fehlt es an Führungsqualitäten.
In einer PWC-Studie werden insbesondere der Mangel an Fairness, menschlicher Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit und Ehrlichkeit beklagt.

mehr lesen

Francesco Muzio  •  Bern
Impressum  •  DSGVO