Emotionsprofil
Benutzerprofil, Bewegungsprofil, Kundenprofil, Täterprofil, Kompetenzprofil…
Von all dem haben wir alle wohl schon mal gehört. Aber „Emotionsprofil“?!
Prof. David Richardson definiert das Emotionsprofil – oder den „Emotionalen Stil“ – als die Art und Weise, wie wir immer wieder auf Ereignisse reagieren, die für uns emotional bedeutsam sind.
Er ist Psychologe und Hirnforscher, gründete das Center for Healthy Minds an der University of Wisconsin in Madison und ist forschender Direktor am Waisman Center für Neuroimaging.
Dort schaut er gerne hinter die Stirn von meditierenden Mönchen.
Ihn interessiert, wie man Gefühle in neue Bahnen lenken kann.
Er ist mittlerweile überzeugt: »Der Spielraum ist größer als gedacht.«
Und da kommt schon bald mal die Meditation ins Spiel.
Dieser Blog-Beitrag erspart Ihnen viel Zeit!
Die Sammlung einiger gekürzter Auszüge aus verschiedenen Interviews vermitteln Ihnen eine Idee, was dieser Mann über den Umgang mit Gefühlen und über Meditation zu sagen hat.
2006 listete das »Time Magazine« Richardson aufgrund seiner bahnbrechenden Arbeiten unter den 100 einflussreichsten Menschen der Welt.
Was bestimmt das Emotionsprofil?
Wie bei allen komplexen Verhaltensweisen ist es ein Produkt von Genen und Umwelt.
Der Anteil der Erbanlagen erklärt, weshalb man schon früh bestimmte elementare Formen des emotionalen Stils beobachten kann.
Zum Beispiel bei der Resilienz, also der Leichtigkeit, mit der wir eine Belastung bewältigen. Neugeborene reagieren nicht alle gleich, wenn sie Hunger oder Bauchschmerzen haben. Manche quengeln deshalb lange, während sich andere schnell beruhigen.
Dieser frühe Vorläufer der Resilienz entwickelt sich später zu einer reiferen Form.
Die äußeren Einflüsse, vor allem die frühen Erfahrungen, sind aber sehr bedeutsam.
Und genetisch vorbelastet zu sein, bedeutet nicht, dass eine Veränderung unmöglich wäre! Im Gegenteil: Das emotionale Profil lässt sich durch Training verändern.
Wozu seinen emotionalen Stil ändern?
Man kann sein Wohlbefinden steigern.
Es geht aber nicht darum, permanent glücklich zu sein: Man kann sehr zufrieden und doch zuweilen traurig sein. Manchmal ist das auch angemessen, zum Beispiel wenn wir um einen Verstorbenen trauern.
Aber wir alle kennen von uns auch emotionale Reaktionen, mit denen wir nicht glücklich sind und die wir gerne ändern würden.
Um Missverständnissen vorzubeugen: Es geht nicht darum, einen optimalen emotionalen Stil zu definieren.
Manche Merkmale machen uns das Leben leichter, wie Resilienz oder eine positive emotionale Grundhaltung.
Es gibt aber auch viele kreative und faszinierende Menschen, die sehr empfindlich sind und dazu stehen.
Das Wichtigste ist, ehrlich Bilanz zu ziehen: Leide ich unter meinen Eigenheiten? Beeinträchtigen sie mein Privat- oder Berufsleben? In dem Fall kann es helfen, sich zu ändern.
Die „Arbeit“ am eigenen emotionalen Stil trägt dazu bei, sich insgesamt besser – und mehr im Einklang damit zu fühlen, wie man sein möchte.
Das ist wichtig wenn man weiss, dass es eine empirisch belegte Verbindung gibt zwischen unserem psychischen Wohlbefinden und unserer körperlichen Gesundheit.
Doch auch hier gilt: Es ist schwierig, daraus einen optimalen Stil abzuleiten.
Man könnte meinen, dass es nützlich wäre, ein gutes soziales Gespür zu haben: Es hilft, Beziehungen aufzubauen. Denn zahlreiche Studien belegen, dass wir Stresshormone ausschütten, wenn wir viel allein sind.
Dabei handelt es sich jedoch ebenfalls nur um Durchschnittswerte, und keine Studie hat sich mit den Menschen befasst, die sich allein sehr wohl fühlen.
Alleinsein hat für sie wahrscheinlich keine gesundheitlichen Nachteile. Alles hängt davon ab, wie wir selbst uns damit fühlen.
Gibt es wissenschaftliche Daten, die beweisen, dass man sich wirklich ändern kann?
Die besten Belege dafür, dass wir unseren emotionalen Stil ändern können, stammen aus Studien über Meditationspraktiken.
Eines der Merkmale ist zum Beispiel die Aufmerksamkeit, das Konzentrationsvermögen.
Wie mehr als 100 solide Forschungsarbeiten zeigen, können wir uns darin verbessern, – wir können lernen, uns weniger leicht ablenken zu lassen.
Und zahlreichen anderen Arbeiten zufolge mindern Konzentrationsprobleme das Wohlbefinden.
Offenbar ist es demnach durchaus möglich, den Geist zu trainieren und damit den emotionalen Stil zu verändern und Wohlbefinden zu fördern.
Die Studien zeigen auch, dass man sich mit Meditation und anderen Techniken entwickeln kann. Die besten Ergebnisse erzielt man für Resilienz und positive Emotionen.
„Techniken“?
Einige Übungen sind inspiriert durch traditionelle Meditationspraktiken, aber umgewandelt in nichtreligiöse Formen.
Um die Aufmerksamkeit zu trainieren, kann man sich etwa auf den Atem konzentrieren und jedes Einatmen und Ausatmen bewusst erleben.
Jedes Mal, wenn die Gedanken abdriften, lenkt man sie wieder auf den Atem zurück.
Wer lieber an seinen positiven Gefühlen arbeiten möchte, sollte Praktiken der Güte und des Mitgefühls einüben.
Beispiel: Denken Sie an jemanden, den Sie mögen, einen Freund oder ein Familienmitglied. Stellen Sie sich diesen Menschen in einer schwierigen Phase seines Lebens vor und formulieren Sie den Wunsch, dass er von diesen Problemen befreit werden möge. Dazu können Sie in Gedanken einen einfachen Satz wiederholen: »Möge er frei von Leid sein.« Dann erweitern Sie den Wunsch schrittweise auf andere Personen.
Wie genau wirken diese Techniken?
Es konnte beobachtet werden, dass dieses mentale Training die Funktionsweise und die Struktur des Gehirns verändert, besonders in den Regionen, die den verschiedenen Emotionsdimensionen zu Grunde liegen.
Mönch im Hirnscanner | Richard Davidson (Mitte) und seine Kollegen Michael Anderle (links) und Antoine Lutz (rechts) bereiten den buddhistischen Mönch Matthieu Ricard 2008 für eine Untersuchung im Magnetresonanztomografen des Waisman Center an der University of Wisconsin-Madison vor.
Dazu wurdenVersuchspersonen vor und nach dem Einüben der Techniken im Magnetresonanztomografen untersucht.
Die Praktiken für Güte und Mitgefühl etwa wirkten sich auf mehrere neuronale Schaltkreise aus, die für das Erleben positiver Gefühle entscheidend sind. Sie fördern vor allem Verbindungen zwischen dem Stirnhirn und dem Nucleus accumbens, dem Zentrum für Motivation und Freude.
Und das nach nur sieben Stunden Training verteilt über zwei Wochen. Dementsprechend kann das Stirnhirn die Aktivität des Belohnungszentrums mehr unterstützen und so die positiven Emotionen andauern lassen.
Welche anderen Techniken – neben der Meditation – verändern den emotionalen Stil?
Einige Übungen stammen aus bewährten Behandlungsmethoden wie der kognitiven Therapie.
Das Prinzip ist, über negative Ereignisse anders denken zu lernen.
Wenn jemand etwa immer sich selbst die Schuld gibt, bringt man ihm bei, äußere Faktoren zu erkennen, die ebenfalls eine Rolle spielen. Das nennt man kognitive Neubewertung.
Mehrere Studien belegen, dass dieses Training Veränderungen im Gehirn bewirkt. Letztlich kann man damit zwei Achsen des emotionalen Stils weiterentwickeln: Perspektive und Resilienz.
Wie groß sind die möglichen Veränderungen? Sind sie bedeutsam?
Lange Zeit glaubte man, das Gehirn könne sich nur wenig verändern. Aber mehrere neue Experimente haben gezeigt, dass der Spielraum größer ist als gedacht.
Wenn man das Gehirn von Versuchspersonen betrachtet, die Zehntausende von Stunden meditiert haben, sieht man enorme Unterschiede zu den Kontrollprobanden.
Natürlich haben diese Menschen, oft buddhistische Mönche, ein ungewöhnliches Leben geführt; wir können also nicht mit Sicherheit sagen, dass die Meditation die beobachteten Unterschiede tatsächlich verursacht.
»Wenn Sie wenig üben, ändert sich nur wenig, aber wenn Sie oft und lange üben, verändern Sie sich sehr«
Doch andere Forschungsarbeiten, bei denen man das Gehirn von Meditationsnovizen vor und nach einer gewissen Meditationsdauer untersucht hat, vervollständigen das Bild: Das Ausmaß der Veränderung hängt von der Intensität des Trainings ab. Wenig üben, wenig Änderung, – oft und lange üben, grosse Veränderung.
„Meditation“, eine Präzisierung
Es geht nicht darum, „den Kopf zu leeren“, wie man oft hört, sondern darum, die Gedanken zur Ruhe zu bringen.
In der Meditation fällt alles an seinen Platz zurück, der Geist wird wieder frisch und aufmerksam, das Herz wärmt sich und man verbindet sich mit der Welt, die uns umgibt.
Meditation erlaubt empathische Anteilnahme. Kein Mitleid, das uns schwächt, sondern Mitgefühl, auf englisch: «compassion».
Wie findet ein Neurowissenschaftler zur Meditation?
„Mich hat von jungen Jahren an die Frage beschäftigt, warum einige Menschen sehr verletzlich sind und andere enorm widerstandsfähig.
Die Wissenschaft hat sich lange Zeit stark auf die negative Abweichung von der Norm konzentriert. Meine erste Begegnung mit dem Dalai Lama im Jahr 1992 war für mich ein Schlüsselmoment.
Er sagte zu mir: «Du brauchst die Instrumente der modernen Neurowissenschaft, um Angststörungen und Depressionen zu erforschen. Warum nutzt du diese Werkzeuge nicht, um positive Qualitäten wie Güte und Mitgefühl zu untersuchen?»
Ich hatte keine Antwort auf diese Frage, und so wurde sie zum Weckruf und Leitstern für mich.
Ein naheliegender nächster Schritt war, das Gehirn von Menschen zu untersuchen, die seit Jahrzehnten regelmässig meditieren. So begannen wir unsere Arbeit mit tibetischen Mönchen.“
Die Erkenntnisse:
„Zum einen verändern sich manche Gehirnareale während des Meditierens, was wenig überraschend war.
Darüber hinaus zeigten die Kernspintomografieaufnahmen aber auch, dass Menschen mit ausgedehnter Meditationserfahrung anders auf negative Impulse von aussen reagieren als solche ohne Meditationserfahrung.
Sie taten sich wesentlich leichter mit der Emotionsregulierung und legten ein wesentlich empathischeres Verhalten an den Tag.“
Was lässt sich daraus schliessen?
„Die Befunde waren dramatisch und brachten mich zum Schluss:
Unser Gehirn ist formbar, wenn wir es trainieren.
Wohlbefinden ist kein zufälliger Zustand, sondern eine Fähigkeit, die wir uns aneignen können.
Wir können uns also beibringen, glücklich, widerstandsfähig, empathisch und in Balance zu sein.“
Ist es nicht die Begeisterung, die die gewünschten Resultate finden lässt?
„Es ist gut, dass kritisch hingeschaut wird. Die Disziplin ist jung, wir haben es also mit jungem Datenmaterial zu tun.
Wir wissen heute, dass Meditation kurz- und langfristig unser Gehirn verändert – diese Erkenntnis ist mit über 100 Studien sehr solide abgesichert; wie genau das geschieht, verstehen wir erst allmählich.
Darin liegt ein immenses Potenzial – für die Therapie von Krankheiten, für die Arbeit mit aggressiven Jugendlichen. Für unsere Gesellschaft, die das Ego und den Besitz so stark gewichtet und in der es so dramatisch an Güte und Mitgefühl mangelt.
Ich will meine verbleibende Lebenszeit ganz dafür einsetzen, das Wissen in diesem Bereich zu vertiefen und in die Welt zu bringen.
Das alleine tun zu wollen wäre das eine «mission impossible», zum Glück unterstützen mich über 100 Mitarbeiter am Centre for Healthy Minds.“
Wie geht’s weiter?
Ich wünsche mir einen Austausch zur Frage, wie wir dieses Wissen teilen und Meditation im Alltag vieler Menschen verankern können.
Ich war mehrmals Gastredner am World Economic Forum, aber das reicht nicht aus, um etwas zu verändern.
Wir arbeiten intensiv an digitalen Angeboten, die es erlauben, objektive Messgrössen für unseren Geisteszustand aufs Handy zu bringen – kombiniert mit Meditationsübungen.
Es ist wichtig, die Meditationspraxis vermehrt am Arbeitsplatz und in Schulen zu verankern.
Letztlich geht es darum, dass Meditation als Grundlage für Wohlbefinden so selbstverständlich wird wie Zähneputzen.
Das eine ist körperliche Hygiene, das andere Hygiene für den Geist.
Lektüretipp
Richard Davidson, Daniel Goleman: Altered Traits. Science Reveals How Meditation Changes Your Mind, Brain, and Body. Avery 2017
Die Auszüge stammen aus Interviews, die • Matthias Morgenthaler bzw. • Guillaume Jacquemont geführt haben, aus einem • Artikel der Royal Society und aus einem • TED-Talk.
Und hier abschliessend ein anderer Mensch, der sich – in anderen Worten – über den Emotionalen Stil äussert.:
Kamala Harris und die Angst vor dem Lachen einer Frau
Nicht von mir geschrieben und nicht von KI Im Juli 2024 erschien bei «The Atlantic» der Artikel «Kamala Harris and the Threat of a Woman’s Laugh»....
Humor. 😐
Mitten in im komplexen, herausfordernden, tragischen Matsch dieser Welt glänzt der Humor. Er pulverisiert Grenzen, verbindet Menschen und stiftet gesunde, wohltuende Verwirrung. Er heilt, verletzt, hinterfragt, lässt Königen die Hose runter und rettet durch schwierige Zeiten.
Ein entspannter Kurztrip zu den Anfängen der Menschheit, zu den Göttern und Denkern der Antike, ins finstere Mittelalter und in die Studierstuben der Philosophen der Moderne.
Und die Antwort auf die Frage, warum der Humor Humor heisst.
Konflikte im Team? – Auf zur Schatzsuche!
Unterschiedliche Meinungen, Interessen und Bedürfnisse führen zu Spannungen, Streit und Unzufriedenheit. Wie damit umgehen? Was, wenn die Teammitglieder sich nicht verstehen oder gar bekämpfen?
Hier geht’s um die Hintergründe und Dynamiken von Konflikten, – und um Lösungsansätze.
Der Artikel bietet eine Anleitung um „die Sache“ selbst zur Hand zu nehmen und behandelt Ihre Rolle als Vermittler oder Vermittlerin.
Zudem schraubt er vielleicht an Ihrer Einstellung zu Konflikten, indem er erklärt, warum Knatsch nicht nur doof ist, sondern den Aufbruch zur Schatzsuche markieren kann.
Von Hunden, Schweinen und Schweinehunden
„Wir kreieren erst unsere Gewohnheiten und dann kreieren unsere Gewohnheiten uns.“
Das sagte vor ungefähr 350 Jahren John Dryden, ein englischer Dramatiker.
In diesem Artikel geht es um gute und schlechte Gewohnheiten – und um die Schwierigkeit, sie in die eine oder andere Richtung zu ändern.
Wenn Änderungsversuche scheitern, wird gerne der innere Schweinehund dafür verantwortlich gemacht.
Er bekommt darum hier die Aufmerksamkeit, die er verdient. Und ich verrate Dir, wie Du mit umgehen kannst.
(fast) ALLES über Lachseminare
Hier erfahren Sie so ziemlich alles was Sie wissen wollen, bevor Sie ein Lachseminar buchen. Was spricht dafür? Wie ist es aufgebaut? Was gewinnt man dabei? Wie profitiert das Team davon?
Führungsqualität so so la la
In der Schweiz möchte in absehbarer Zeit ein Viertel aller Angestellten die Stelle wechseln!
Die Arbeit gefällt zwar – aber dem Chef, der Chefin fehlt es an Führungsqualitäten.
In einer PWC-Studie werden insbesondere der Mangel an Fairness, menschlicher Kompetenz, Kommunikationsfähigkeit und Ehrlichkeit beklagt.
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Arbeit macht glücklich? Das sei Selbsttäuschung, sagt der Philosoph Michael Cholbi. Wir sollten unsere Jobs nicht heroisieren, sondern hinterfragen.
Bei Gehaltsverhandlungen niemals lächeln. – 33 Tips fürs Arbeitsleben
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Hinter der Langeweile wartet grosses Kino. Es geht um Sinn und Unsinn, Selbstwert, Achtsamkeit – und das Rezept.
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