2004 wurde im Rahmen eines wissenschaftlichen Projektes der beste Witz der Welt ermittelt.
Die Studie war einer der grössten sozialwissenschaftlichen Feldversuche, die es je gab.

Die Motivation hinter dem Versuch war, mehr über den Humor und dessen Funktion und Aussagekraft in verschiedenen Gesellschaften herauszufinden – ein Themenfeld, zu dem es bisher so gut wie keine Studien gab.

Über die Studie

Sie wurde von Richard Wiseman (Uni Hertfordshire) initiiert.
Menschen weltweit wurden aufgefordert, ihren Lieblingswitz per Internet ins „Laugh Lab“ einzusenden und die Witze anderer Menschen zu bewerten.

Die Projekt-Website von „Laugh Lab“ hatte zwei Bereiche:
In einem Teil konnten die Leute ihren Lieblingswitz eingeben und ihn an ein Archiv senden.
Im zweiten Bereich konnten die Teilnehmer einige einfache Fragen zu ihrer Person beantworten (z. B. Geschlecht, Alter und Nationalität) und dann auf einer fünfstufigen Skala von „nicht sehr lustig“ bis „sehr lustig“ bewerten, wie lustig sie fünf zufällig ausgewählte Witze fanden.

„Nebenprodukte“ des Projekts

Drei Monate nach Beginn des Projekts prüfte das wissenschaftliche Team die Daten zum ersten Mal eingehend.
Der beste Witz in diesem frühen Stadium (war von Geoff Anandappa aus Blackpool im Nordwesten Englands eingereicht worden und) handelte von dem berühmten fiktiven Detektiv Sherlock Holmes und seinem leidgeprüften Kumpel Dr. Watson:

Sherlock Holmes und Dr. Watson gingen campen. Sie schlugen ihr Zelt unter dem Sternenhimmel auf und legten sich schlafen.
Mitten in der Nacht weckte Holmes Watson auf: „Watson, schau nach oben und sag mir, was du siehst.“
Watson: „Ich sehe Abermillionen von Sternen.“
Holmes: „Und was schliessen Sie daraus?“
Watson: „Nun, wenn es Millionen von Sternen gibt, und wenn auch nur ein paar davon Planeten haben, dann ist es ziemlich wahrscheinlich, dass es da draussen einige Planeten wie die Erde gibt. Und wenn es da draussen ein paar erdähnliche Planeten gibt, dann könnte es auch Leben geben.“
Holmes: „Watson, Sie Idiot, das bedeutet, dass jemand unser Zelt gestohlen hat.“

Während des Projekts hat Wiseman einige der bekanntesten britischen Wissenschaftler und Wissenschaftsautoren gebeten, ihre Lieblingswitze bei LaughLab einzureichen.
Der Witz, der in der Kategorie „Bester von einem bekannten Wissenschaftler eingereichter Witz“ gewonnen hat, wurde vom Nobelpreisträger und Chemieprofessor Sir Harry Kroto eingereicht:

Ein Mann geht die Strasse entlang, sieht einen anderen Mann mit einem sehr grossen Hund und spricht ihn an:
„Beisst Ihr Hund?“
„Nein, mein Hund beisst nicht“.
Der Mann tätschelt daraufhin den Hund, dieser beisst ihm die Hand ab.
„Sie sagten, Ihr Hund beisst nicht!!“.
„Das ist nicht mein Hund“.

Das wissenschaftliche Team untersuchte in der ersten Phase der Studie nebenbei auch andere Quellen des Humors – zum Beispiel Computer.
(Dr. Graham Ritchie und Dr. Kim Binsted hatten Jahre zuvor ein Computerprogramm entwickelt, das Witze produzieren konnte.)
Es stellte sich die Frage, ob Computer witziger sind als Menschen, und so wurden einige der besten computergenerierten Witze ins LaughLab eingegeben – aber nicht als „künstlich“ deklariert.
Die meisten dieser Witze erhielten niedrigste Bewertungen im Archiv.
Einer war jedoch überraschend erfolgreich und schlug rund 250 menschliche Witze.
Er funktioniert nur auf Englisch:

What kind of murderer has fiber? A cereal killer.

Ebenfalls in einer frühen Phase der Studie erhielt das Team die folgende Einsendung:

Zwei Kühe stehen auf einer Wiese. Die eine sagte: „Muh.“
Die andere: „Das wollte ich auch gerade sagen!“

Die Studienleiter beschlossen, diesen Witz als Grundlage für ein kleines Experiment zu verwenden.
Sie gaben den Witz mehrmals ins Archiv ein, wobei sie andere Tiere und andere Geräusche einsetzten.
Zwei Tiger machten „Grrrr“, zwei Vögel „Tschilp“, zwei Mäuse „Uiik“, zwei Hunde „Wau“, und so weiter.
Am Ende der Studie untersuchten sie, welchen Einfluss die verschiedenen Tiere darauf hatten, wie lustig die Leute den Witz fanden.
An dritter Stelle kam der Kuhwitz, an zweiter Stelle die zwei Katzen, die „Miau“ machten. Der Siegerwitz in dieser gefakten Kategorie war:
Zwei Enten saßen in einem Teich, eine der Enten sagte: „Quak“.
Die andere Ente sagte: „Das wollte ich auch gerade sagen!“
(Die Erklärung erspare ich Ihnen, der Clou funktioniert nur in der englischen Sprache und mit einigen zusätzlichen Infos.)

Geschafft!

Am Ende des Projekts waren 40.000 Witze eingegangen, rund 500’000 Menschen aus 70 Ländern hatten sich mit Beiträgen und Bewertungen beteiligt.
Das Experiment war ein riesiger Erfolg, die Wissenschaftler stellten einen Guinness-Weltrekord auf für die Durchführung eines der grössten Experimente der Geschichte und schafften es auf die Titelseite von The New Yorker. 

Die Ergebnisse und DAS Ergebnis

Deutsche sind für Witze am anfälligsten

Ein Ergebnis der Studie ist, dass die deutschen Teilnehmenden die Witze im „Laugh Lab“ im Vergleich mit allen anderen teilnehmenden Nationen am witzigsten fanden.
Wiseman legt Wert darauf, dass die Deutschen die Gesamtheit der Witze, also sowohl die schlechten als auch die guten, besonders witzig fanden. Das bedeutet, dass die Deutschen keinen besonders ausgeprägten Humor haben, sondern dass sie bei dem, über was sie lachen, nicht besonders wählerisch sind.
Verbunden mit diesem Ergebnis fiel Wiseman ein interessanter Zusammenhang auf:
Je zufriedener sich die Menschen einer Nation fühlen, desto weniger konnten sie über die Witze im „Laugh Lab“ lachen.

Die Kanadier gelten als sehr zufriedenes Volk und fanden die Witze des „Laugh Lab“ von allen Nationen am wenigsten witzig.
Die Deutschen, die als eher unzufrieden mit der eigenen Situation gelten, fanden sie am besten.
Es scheint so, als lechze ein vermeintlich unglückliches Volk wie die Deutschen nach möglichst vielen Anlässen zum Lachen.
Ein anderes Ergebnis der Studie untermauert diese These: Bei fast jedem Volk liess sich eine Vorliebe für eine bestimmte Art von Witz erkennen – nur nicht bei den Deutschen. Die können über fast alles lachen.

Britischer und nordamerikanischer Humor

Britischer Humor ist, so die gängige Meinung, ein eher intelligenter und auf Wortwitz beruhender Humor. Der ermittelte Lieblingswitz der Engländer spiegelt das jedoch kaum wider:

Eine Frau steigt mit ihrem Baby in einen Bus.
Der Busfahrer sagt: „Das ist das hässlichste Baby, das ich je gesehen habe!“
Stinksauer setzt sich die Frau in den hinteren Teil des Busses und sagt ihrem Sitznachbarn:
„Der Fahrer hat mich beleidigt.“
Daraufhin sagt der Mann: „Gehen Sie ruhig nach vorne und beschweren sich – ich halte solange den Affen für Sie.“

Wiseman hat einige der britischen Witze in den USA erzählt und kam zu dem Ergebnis, dass die Amerikaner über britischen Humor nicht lachen können.
Das lag häufig daran, dass die Menschen in den Staaten den Wortwitz und den Hintersinn in den englischen Witzen nicht dechiffrieren konnten beziehungsweise nicht verstanden.

Menschen aus Nordamerika mögen „Überlegenheitswitze“,

also Witze, bei denen eine Seite die andere dominiert und dumm aussehen lässt.
Entsprechend liest sich der Lieblingswitz der Kanadier:

Als die NASA damit begann, Astronauten in den Weltraum zu schicken, fanden sie schnell heraus, dass Kugelschreiber in der Schwerelosigkeit nicht funktionieren. Um dem Problem zu begegnen, forschte die NASA ein Jahrzehnt und gab zwölf Milliarden Dollar aus, um einen Stift zu entwickeln, der in der Schwerelosigkeit schreibt, kopfüber, unter Wasser, auf allen Oberflächen und bei fast jeder Temperatur. Die Russen benutzten einen Bleistift.

Der exotische Witz

Viele Witze haben einen stark regionalen Charakter. Sie werden ausserhalb einer Landesgrenze oder eines bestimmten Kulturkreises kaum verstanden werden – sei es, weil sie die Kenntnis bestimmter kultureller Eigenarten voraussetzen oder weil sich der Wortwitz nicht übersetzen lässt.
So erzählte zum Beispiel ein ägyptischer Junge Dr. Wiseman folgenden Witz:

Warum geht ein Kamel durch die Wüste? – Weil es auf die andere Seite will!

Humor ist auch eine Frage der Herkunft

Extrem kompliziert ist die humoristische Kontaktaufnahme mit Japan.
Dr. Wiseman fand zwar auch Witze, die in ihrer Struktur westlichen Witzen ähnlich sind. In Tokio etwa lachen die Menschen gerne über Witze, die die Enge in der Stadt thematisieren.
Doch der Grossteil der Witze wird das Zwerchfell des westlichen Publikums wohl nicht in Bewegung bringen. Ein kurzes (!) Beispiel:

Da sind zehn Ameisen. Und danke!

Kinder und Ältere – Lachen unter der Gürtellinie

Auch innerhalb eines Landes lachen Menschen nicht über die gleichen Witze.
Dr. Wiseman fand heraus, dass Kinder über andere Dinge lachen als alte Menschen. Beide Gruppen teilen jedoch die Vorliebe für rüde Witze.
Bei Kindern steht der Fäkalhumor ganz hoch im Kurs und auch bei den älteren Menschen wird es meist erst unter der Gürtellinie wirklich witzig:

Ein Mann sagt zu seiner Frau:
„Auf deinem Grabstein wird einmal stehen: Hier wohnt Betty Spencer, die schönste Frau, die jemals das Licht der Welt erblickte.“
Sagt sie:
„Oh, das ist aber nett. Auf deinem wird stehen: Hier ruht Frank Spencer, im Tode endlich doch noch steif.“

Das ist ein Witz, der noch ein anderes Ergebnis der Studie verdeutlicht: Menschen erzählen Witze, um Tabuthemen, wie in diesem Beispiel Tod oder Impotenz, besser zu verarbeiten.
Spezifische Lebensängste finden sich häufig in den Witzen der jeweiligen Altersgruppen wieder.

Mann und Frau – die feinen Unterschiede

Zwischen den Geschlechtern sind die humoristischen Gräben tief.
Männer neigen dazu schweres Geschütz aufzufahren, wenn sie über Frauen Witze machen. Sie sind im Kampf der Geschlechter aggressiver:

Ein Mann wird von der Polizei angehalten. Der Polizist fragt: „Haben Sie nicht gemerkt, dass Ihre Frau und Ihre Kinder aus dem Auto gefallen sind?“ „Gott sei Dank“, sagt der Mann, „ich dachte schon, ich sei taub geworden.“

Frauen spassen subtiler. Sie mögen Wortwitze und Sprachspiele. Wiseman zieht daraus einen Rückschluss auf andere Studien, die besagen, dass Frauen sprachbegabter sind als Männer:

Ein stolzer Vater hat sechs Kinder.
Er ruft seine Frau zu deren Missfallen immer „Mutter von Sechs“.
Eines Abends auf einer Party brüllt er quer durch den Raum: „Mutter von Sechs, wir gehen jetzt.“
Sie antwortet: „Bin gleich soweit, Vater von Vieren.“

Der beste Witz der Welt?

Der Weg zum besten Witz der Welt war lang und nahm sehr viele Umwege.
Wie bei jeder wissenschaftlichen Studie muss man auch hier die Störfaktoren berücksichtigen, die Einfluss auf die Auslese genommen haben.
Zum einen wurden viele Witze durch die erwähnten kulturellen und sprachlichen Barrieren ausgeschlossen.
Auch Dr. Wiseman und sein Team hatten einen großen Einfluss auf das Ergebnis, da sie allzu derbe Witze aus dem Wettkampf genommen haben.

Das Resultat ist ein Witz, der den Geschmack der Massen trifft, der grösste humoristische Nenner, aber eben kein echter Knaller.
Das weiss auch Dr. Wiseman: „Lauthals zum Lachen bringt er die meisten nicht. Unser bester Witz ist ein Witz, der im bescheidenen Masse den meisten Menschen am besten gefällt.“

Und hier ist er endlich:

Zwei Jäger gehen auf die Jagd und wandern durch den Wald.
Plötzlich greift sich der eine an die Kehle und stürzt zu Boden.
Der andere Jäger gerät in Panik und ruft den Notarzt an: „Ich glaube mein Freund ist tot, was jetzt?“
Der Arzt versucht ihm zu helfen: „Beruhigen Sie sich! Zunächst einmal müssen Sie sicher gehen, dass Ihr Freund wirklich tot ist.“
Kurze Pause, dann ein Schuss.
Der Jäger meldet sich wieder am Telefon. „OK, erledigt, und was jetzt?“

Der Gewinnerwitz war von einem Psychiater aus Manchester in Großbritannien namens Gurpal Gosall eingereicht worden.
Dr. Wiseman setzte sich mit Gurpal in Verbindung, und der erklärte ihm, dass er den Witz manchmal seinen Patienten erzähle um sie aufzuheitern. Er habe bemerkt, dass die Leute sich durch diese verstörende Geschichte besser fühlen – weil es sie daran erinnert, dass es immer jemanden gibt, der sich doofer anstellt als sie selbst.

Zugabe

1001 der rund 40’000, im LaughLab archivierten, Witze können Sie hier herunterladen. (Englisch)

Dr. Wiseman (Bild unten) erzählt mehr über das Projekt LaughLab in seinem Buch „Quirkology“.
Wiseman ist ein sehr neugieriger, witziger und kreativer Mensch. Gerne empfehle ich  den Besuch seines Youtube-Kanals „Quirkology – Quirky stuff for curious minds„.

Dieser Beitrag enthält (z.T. gekürzte / veränderte) Teile eines Textes von Götz Bolten, Redakteur beim WDR.

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