Ich lästere, also bin ich

Ich lästere, also bin ich

Dass Menschen lästern hat verschiedene Gründe.

Wohl der wichtigste ist paradoxerweise der Beziehungsaspekt.
Lästern ist der Versuch, eine Bindung zwischen zwei Personen zu stärken, indem über Dritte beziehungsweise Abwesende gesprochen wird.
Es wird über «die Anderen» gesprochen, also wird das „Wir“ gestärkt.
Dabei ist das Inhaltliche oft nicht wirklich wichtig, und so kann sich die lästernde Person wenig später mit dem Menschen, über den sie eben noch hergezogen hat, freundlich austauschen.

Lästern dient gerne der oberflächlichen Psychohygiene. Der Frust will raus, der Kropf muss geleert werden, – dafür brauchts Zuhörende.
Auch hier stimmt das Ausmass des Lästerns oft überhaupt nicht mit dem wirklich Gefühlten überein. Und so setzt sich der/die Lästernde beim Mittagessen dann trotzdem freiwillig neben die „unmögliche Person“.

Lästern hat oft mit Macht und Struktur zu tun. Bei diesem Läster-Aspekt geht es um Ohn-Macht und verdeckte Macht innerhalb von Strukturen, und um Allianzen.
Wo viel gelästert wird, sollten die Führungsstrukturen überprüft werden.

Im Wirkkreis des Macht-Aspekts findet sich auch das Lästern aus verletztem Stolz und geringem Selbstwertgefühl.
Man redet schlecht über andere, stellt sich dabei selber besser dar – im Bestreben, sich dadurch besser zu fühlen. Lästern soll hier also das verletzte oder gekränkte Ego wieder stärken.

Und um an das Selbstwertgefühl anzuknüpfen: Ein weiterer Aspekt ist die Attraktivität von Sensationen und mithin die Wichtigtuerei.
Je schockierender, überraschender oder aussergewöhnlicher eine Geschichte ist, desto freudiger trägt man sie weiter in die Welt hinaus. Das gilt natürlich auch für die Geschichten über eine Person.
Ob das Gesagte wirklich der Wahrheit entspricht oder nicht, ist dabei unwichtig.
Hauptsache: Wer die umwerfenden Neuigkeit überbringt, darf sich kurz wichtig fühlen.

Kommt Ihnen all das bekannt vor?

Leiden Sie unter einem Läster-Klima an Ihrem Arbeitsplatz?
Setzen Sie Grenzen!
Setzen Sie sich für sich selber ein und äussern Sie Ihre Befindlichkeit!

Das ist oft leichter gesagt als getan.
Hier drei Vorschläge; vielleicht kommt einer Ihrem Naturell entgegen:

Sie sind gerne direkt?

Dann machen Sie den Protagonisten klar, dass es Ihnen Mühe macht, häufigem Lästern und Getratsche ausgesetzt zu sein. Sagen Sie, wie Sie sich dabei fühlen.

Sie winken lieber mit dem Zaunpfahl?
Hängen Sie einen (oder mehrere) dieser Zettel in der Nähe Ihres Arbeitsplatzes auf.

Sie exponieren sich ungern?
Holen Sie sich Beratung bei vorgesetzter Stelle, dem HR oder der Sozialberatung Ihres Betriebs.
Wichtig ist hier aber, dass Vertrauen gegeben ist und dass Sie entscheiden können, was mit dem Gesagten passiert. Wenn Sie diesbezüglich unsicher sind, buchen Sie besser vorgängig einen externen Termin bei einer Supervisorin oder einem Coach. Zum Beispiel bei mir.

Das kenne ich.

Über das würde ich gerne reden